Chasseral wie er im Bilderbuch steht!
Obwohl uns Altmeister und ehemaliger Sektionspräsident …weiterlesen
Chasseral wie er im Bilderbuch steht!
Obwohl uns Altmeister und ehemaliger Sektionspräsident Joggi Kamber, der heute in Peist wohnt, die schönste Übernachtung im Schanfigg organisiert hatte, mussten wir leider aufgrund der kritischen Lawinensituation die Überschreitung ins Prättigau absagen. Stattdessen beschlossen wir an der Tourenbesprechung im Isaak einstimmig, dass wir für einen Tag in den nahen Jura fahren wollen, da dort die Verhältnisse ausserordentlich sein sollten.
Frisch gestärkt bestiegen wir am Sonntag den Zug Richtung Biel und beim Umsteigen stellten einige Teilnehmer fest, dass sie mit Skiern noch nie in Biel umgestiegen sind. Dabei gehört doch der Chasseral zu den längsten zusammenhängenden Abfahrten im Jura. Dass dieser Gipfel jedoch nicht der Höchste im gesamten Jurabogen sei und noch einige interessante Details (kann mir sonst jemand sagen, wo der Jura im Westen aufhört?) erfuhren wir vom Jura-Kenner Remo Michel, der zusammen mit Giorgio Bondolfi mit einer Kinderschar einen KiBe-Ausflug mit Schneeschuhen auf die Hasenmatt unternahm.
Der rasche Entschluss, in Biel nicht wie vorgesehen 50 Minuten auf den Regionalzug nach Villeret zu warten, sondern den schnellen Anschluss auf den Interregio nach St. Imier zu nehmen, war der eines GA-Fahrers. Denn ich dachte nicht daran, dass ich im Isaak allen mitgeteilt hatte, nach Villeret zu lösen. Als aber der Kontrolleur (wir sassen direkt unter dem Hinweis-Schild 'Selbstkontrolle') im Zug erschien, begann es mir zu dämmern. Zum Glück war auch der SBB-Angestellte vom schönen Tag und der Landschaft und unseren Absichten so überzeugt, dass er uns statt einer Busse von Fr. 80.- nur ein Ticket von Villeret nach St. Imier verkaufte und wir mit einem blauen Auge davon kamen.
In St. Imier am Bahnhof ausgestiegen, versperrte leider ein neu gebauter Zaun das direkte Abfahren ab Perron 2 den Bahndamm hinunter zum Flüsschen, welches durch das Tal fliesst. Das war von ein paar Jahren noch möglich. Aber dieses Mal möglich war, dass wir nach dem erfolgreichen Durchqueren der Geleiseunterführung schon unseren ersten Teilnehmer verloren. Jörg war durch den "Gesang" (andere würden das Gekläff nennen) eines kleinen Hundes (oder war es eine verzauberte Schneeprinzessin?) dermassen abgelenkt worden, dass er statt uns zu folgen, der Gruppe mit Hund in Richtung Mont Soleil (direkt gegenüber des Chasserals) folgte. Nachdem unser verlorener Sohn wieder auftauchte, konnten wir mit der Tour beginnen. Zum Glück war die Wiese unterhalb des Bahndammes nicht verbaut worden und wir konnten die Skier gleich beim Bahnhof anziehen und zuerst ein paar Höhenmeter abfahren.
Bei der Fabrik der Uhrenmarke Longines wurden die Felle aufgezogen und die LVS überprüft. Der freigeschaufelte Fabrikvorplatz eignete sich ideal dazu. Der munter davon stürmende Richard verlor leider noch auf dem Fabrikareal seinen Skiteller und musste uns von da an halbstündlich seine Schnee-Tiefenmessungen mitteilen. Zum Glück war der oberhalb von Villeret zu durchschreitende Bach nicht sonderlich tief, seine Ufer liessen sogar ein Abrutschen mit Skiern zu. Nur die im Bach gebadeten Skischuhe passten bei mir aufgrund des Eises am Schuh nicht mehr recht in die Bindung. Nun ging es aber richtig los. Denn hinter Villeret beginnt die Route an Höhe zu gewinnen. Als ich kurz vor dem Eintauchen in den Wald nochmals alle Teilnehmer zählte, kam ich komischerweise auf 11, statt der ursprünglichen 10 Teilnehmer. "Da muss ich mich wohl verzählt haben" dachte ich mir und bin, ohne mir weitere Gedanken darüber zu machen, weiter gestiegen. Als mich dann aber nach dem ersten Steilanstieg eine nette Dame auf Skiern überholte und mich dabei freundlich mit meinem Namen begrüsste, begann ich zu stutzen. Es stellte sich im laufenden Gespräch, während des Spurens im schönsten Pulver heraus, dass sich das ominöse SMS, welche ich vor zwei Tagen erhielt, deren Namen ich jedoch nicht zuordnen konnte, zu Barbara gehörte, die sich auch noch anmelden wollte. Nun war sie also auch mit dabei und ich wurde den Gedanken nicht los, dass es eigentlich gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn wir Jörg wirklich verloren hätten, denn unter dem Strich waren wir ja auch mit Verlust gleich viel Teilnehmer wie zu Beginn der Tour. Da hier aber nicht von Buchhaltung die Rede ist, verwarf ich diesen verwerflichen Gedanken gleich wieder.
Als wir einen besonders dichten Waldabschnitt durchschritten und aufs offene Feld kamen, konnten sogar die beiden heftig über Sinn und Unsinn "flacher Mulden" diskutierenden Roger und Annemarie den Mund nicht mehr schliessen über all dem Schnee in den uns umgebenden Bäumen. Dieser nahm mit der Höhe immer mehr zu und erreichte ein Maximum von über 1.5 m auf dem ersten Höhenrücken unterhalb des eigentlichen Hauptrückens, wo der Chasseral-Turm steht. Die Bäume waren als solche nicht mehr erkennbar, viel eher sah es aus, als hätte jemand diverse grosse Schlagrahm-Türme hingestellt. Jeder Baum war nur noch als weisser Umriss sichtbar, obwohl der Himmel absolut klar.
Diese orgiastischen Schlagrahmspitzen bewogen uns dann auch am Gipfel nicht gleich an die Abfahrt zu denken, sondern im Gipfelhaus oder besser Gipfelhotel Chasseral eine Früchtewähe - natürlich mit Schlagrahm - zu kredenzen und den Flüssigkeitsverlust zu ergänzen. Damit gestärkt machten wir uns dann tatsächlich an die Abfahrt. Diese war eine der Besten, die ich je im Jura erlebt habe. Schon die obersten Hänge, welche oft stark verblasen sind, waren wunderschön mit einer vollständig unerodierten, weichen Oberflächenschicht, welche uns das sanfte Gleiten bis zum petite Chasseral erlaubte. Der kleine Gegenanstieg zum Clubhaus auf dem ersten Rücken war nur ein kurzer Unterbruch in der Abfahrt. Danach folgte der Steilhang, welcher vom Sturm Vivane in den 80ern ausgelichtet und sich seither bestens zum Abfahren eignet. Der Schnee war von einer Beschaffenheit, die schöner nicht sein kann. Es braucht deswegen niemand nach Kanada zu fahren. Wenn die Verhältnisse stimmen, findet man so etwas auch im Jura. Ein Hang nach dem anderen folgte, jeder schöner als der Vorherige und immer war es noch nicht der Letzte. Als wir dann aus dem Wald auf die Wiese oberhalb Villeret fuhren und auf der nur teilweise geräumten Strasse mit den Skiern bis zum Dorfbrunnen vorstiessen, war tatsächlich der letzte Hang hinter uns und damit eine der ganz tollen Jura-Abfahrten. Obwohl uns zu guter Letzt der Zug direkt vor der Nase abfuhr, war das, anbetracht des schönen Tages, kein gravierendes Problem. Benötigten wir doch für die Rückreise kaum 2 Stunden.
Mit von der Partie waren: Dominik (Tourenleiter), Annemarie, Jörg, Andrea, Richard, Eveline, Roger, Stephan, Jürg, Margret und Barbara. Text: Dominik Bilder: Jürg, Roger und Richard ⇐
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