Der Name "Combin" hat weniger mit Kombinieren denn mit Verbinden zu tun. Weiter haben mich meine bes …weiterlesen
Der Name "Combin" hat weniger mit Kombinieren denn mit Verbinden zu tun. Weiter haben mich meine bescheidenen Recherchen leider noch nicht gebracht. Im schlauen SAC-Büchelchen steht jedenfalls nichts darüber. Falls eine weise Leserin oder ein kundiger Leser dieser Zeilen mehr weiss, bitte den Autor erleuchten (mail-Adresse ist unter Tourenleiter: Rolf Glauser auf dieser HP zu finden). Aber verlassen wir nun den Schreibtisch des Bürokraten und lasst uns eintreten ins wild-sanfte Reich der Berglust:
So. 29.06.
Nach vier Stunden Zug- und Busfahrt genehmigen wir uns (wie immer) im Restaurant/Hotel du Pigne am Postplatz in Arolla das zweite Frühstück, verteilen die Gewichte und nehmen den Weg zum Pas de Chèvres unter die Füsse. Oben an der bösen Leiter angelangt, zeigt Ralf sogleich, was ein echter Guide ist und nimmt ein noch nicht ganz schwindelfreies Oranje-Mädchen ans kurze Seil. Charmant und ohne finanzielle Konsequenzen, das haben wir schliesslich von unserem EM-Partner Österreich gelernt! Kurz darauf in der Cabane des Dix ist die Sonnenterrasse angesagt. Das Wetter macht Tagesgang und zum Nachtessen gibt uns ein Schwachstromgewitterchen ein Ständchen. Der Aufenthaltsraum ist nur zu einem Drittel gefüllt mit internationalem Publikum. Es bleiben noch zwei Wochen bis zur Hochsaison. Zum Nachtisch wünschen sich die Kids einer Familie aus dem Grossen Kanton das scheppernde Radio des Hüttenwarts: EM-Final! Ich bitte sie, mir das Endresultat auf ein Zettelchen zu notieren, wir müssen angesichts der morgigen „Eingehtour“ zeitig in die Federn.
Mo. 30.06.
04:00h: „viva españa, 1:0“ steht auf dem post-it. Unsere Partie steht 1:1, es haben sich noch nicht alle Wolken verzogen. Von der Gletscherkalotte des Ostgipfels des Mont Blanc de Cheilon hat sich eine riesige Scholle abgespalten und bricht nun donnernd die Nordwand runter. Gegen den Col de la Serpantine verwertet das Wetter einen Freistoss: 2:1, wir brechen immer wieder durch die ungenügend durchgefrorene Schneedecke, versinken knietief in bodenlosem Gries, die Frucht der späten Skitourensaison. Zu Beginn des steilen Osthangs des Cheilons bessert die Geschichte, aber die Sicht beträgt nun höchstens noch 50m: 3:1 für Petrus! Wenigstens sehen wir so nicht, was uns die nächsten Stunden erwartet. Das Abseilen in die Scharte macht die Gruppe wieder frisch, die linksseitige Umgehung der beiden koboldigen Türmchen in abwärts geschichtetem und verzuckerten Fels stimmt uns ins ernsthafte, alpine Klettern ein und belohnt werden wir mit dem steilen Ostgrat zum Hauptgipfel: reinste Genusskletterei, und das wieder in der Sonne. 3:2! Der Abstieg über die NW-Rippe zum Col du Cheilon geht den Verhältnissen entsprechend gut und das Flachstück zum Col du Mont Rouge ist erstaunlicherweise noch viel besser, fast kein Einsinken. Doch es zieht sich zur Chanrion, nach 14 Stunden erreichen wir die Hütte. Schlussresultat: 3:3!
Das manchmal auch gspürige Tourenleiterchen bemerkt einen gewissen Unwillen der Gruppe gegen das morgige Programm. Zudem hatte mir der Hüttenwart der Bonnassière am Telefon gesagt, dass er noch nie von einer Route durch die Westwand des Tournelon Blanc gehört hätte. Diese steht aber doch im schlauen SAC-Büchelchen, vielleicht wurde sie das letzte mal vor dem Krieg begangen? Ralf holt mich zu kurzem Kriegsrat. Auf einem Pässchen mit Händiempfang hatte unser Guide wiff das Meteo abgefangen, auf Do. ist eine Störung gemeldet! Da der Combin das Highlight der HTW ist, schlägt er vor, morgen schon ins Chiarella zu wechseln und den schlafenden Bären noch vor dem Fröntchen ab zu holen. Ich bin genau so begeistert wie die Gruppe. Es steht 1:0 Realität gegen Programm!
Di. 01.07.
Im Abstieg zum Bach können Andrea & Jörg ausgiebig botanisieren, auch die geflügelte Fauna ist schon kräftig am konzertieren. Während dem Anstieg gegen den Gletscher zum Col de By laufen wir nur noch über Geröll und müssen ungeschützt den Anblick der schrecklichen SE-Seite des Riesen ertragen. Den Nachmittag im Rifugio Amiante verbringen wir mit schlafen, sünnele, einer Lektion vom Guide über Standplätze und einer Knotenfragestunde. Von der Hüttenterrasse ein herrlicher Blick über Aosta und zum Vélan. Ralf und ich haben die Taktik von morgen schon besprochen und das Tagesganggewitterchen während des Nachtessens gestaltet sich zu unserer Überraschung wesentlich ausgiebiger als erwartet. Aber genau deswegen kommt die von den beiden Guardianos befürchtete Schulklasse nicht und wir haben das Gehäuse für uns. Halbzeitstand: Wir gegen Petrus: 1:1
Mi. 02.07.
Wie so oft schellt der Wecker viel zu früh. Bangigkeit vor dem Riesen und Zuversicht angesichts des überwältigenden Sternenhimmels halten sich die Waage. Nur über Milano leuchtet das Wetter. Nach ner guten Stunde stehen wir auf einem Grat statt auf dem Col d’Amiante. Oha Lätz - zu weit nach links geraten – in der Nacht sind alle Katzen grau! Mit vereinten Kräften und Peters GPS sind Fehler und Korrektur schnell gefunden. Peter eilt voraus über den nächtlichen Grat, wir folgen durch die Flanke. „Hier poasst’s“ ruft er von einem Türmchen runter. Der Col ist erreicht, die Gruppe wach. Aagschirre! Wir traversieren den Glacier du Mont Durand gleich nördlich unter dem Grande Tête du By schräg hoch durch die Steilflanke, die Sonne scheint noch flach über uns weg. Über 10cm Neuschnee hat uns Petrus beschert. Vor uns die Banane der SSW-Flanke noch im Schatten – was? Schon da? Umgruppieren und am kurzen Seil die 40°-Flanke hoch, gegen den SE-Grat steilt’s noch etwas an, der Neuschnee nimmt etwas zu und ein vereistes Flühchen zwingt zum kurzen Sichern. Endlich der Grat und die Sonne und ne Pause. Den ersten Gendarmen erklettern wir im Gegensatz zu obgenanntem Büchelchen rechts über ne Rampe und dann ein saugeiles Plättchen ohne Griffe. Gloisi jubiliert zum ersten mal an diesem Tag, vorher ist ihm ja die Luft ausgegangen. Der Firngrat steilt auf, drei, vier Kletterschritte über ein Köpfchen, Tiefblick zum Plateau des Couloirs und Fernblick zum Monarchen. Das listige Grätchen ist nun waagerecht und äusserst scharf und endet vor dem keck lotrecht aufstrebenden Gipfelaufschwung. Vor uns sitzt die Gruppe rittlings auf dem Messerchen und Ralf nimmt bereits die vereiste Rampe links des frechen Zinkens in Angriff. Dann verschwindet er und Eiszapfen klirren die Verschneidung runter. Wir haben alle zusammen gehängt, aber zwischen jeder ursprünglich autonomen Seilschaft haben wir immer einen provisorischen Stand – Friends, Keile oder Schlingen. Ralf arbeitet sich in mixed-climbe Technik hoch, ich regle hinten, was zu regeln ist. Kurz vor Erreichen des Grates sehe ich den ersten geschlagenen Haken, der Rest war wohl unter Eis und Schnee verborgen. Auch in der Mitte unseres Tatzelwurmes arbeitet das Team nun ausgezeichnet, nur haben wir in der Hitze des Gefechtes den Pausenpfiff überhört. Nach Stunden stehen wir auf dem Gipfel, inzwischen im Nebel. In der 70-igsten Minute steht es nun 3:1 für Petrus!
Der Abstieg ist fast problemlos, bald tauchen wir unter den Nebel, nur den Schlupf vom Gipfelplateau in die Westflanke finden wir mangels Spuren nicht auf Anhieb. 4:1! In der W-Flanke liegt unter meist genügender Trittschneeauflage gutes Eis und die 180 Höhenmeter wieder hoch zum Col du Meitin sind geradezu moderat. 4:2! Bleiben noch müde (vor allem wir sind müde!) 600 Hm Abstieg zur Valsorey. Im Flänkchen liegt weit weniger Schnee als erwartet, dafür hat’s um so mehr Wegspuren (al hamdullilah!) und nun dampft die Suppe im Teller.
Schlussresultat nach 17h inkl. Verlängerung: Petrus gewinnt gegen die Bergsteiger mit 4:3. Das Match war genauso spannend wie Federer gegen Nadal, damals in Wimbledon.
Do. 03.07.
Wie in der Tour de France gibt’s auf Gloisi’s Hochtourenwochen auch Ruhetage (meist ungeplant). Heute ist so einer: Ausschlafen, ausgiebig frühstücken, Nachbesprechung der gestrigen Tour und dann mit Regenschirm oder Pellerine gerüstet zur Cabane du Vélan wandern, durch das wilde und wunderschöne obere Valsorey-Tal. Es hat inzwischen aufgehört zu regnen und Karin empfängt uns herzlich. Wieder etwas Training in den Felsen hinter der Hütte, dann im Treppenhaus - es hat wieder zu regnen begonnen. Wir haben einmal mehr die ganze Hütte für uns, was sich besonders wegen der etwas speziellen Matratzen äusserst positiv auf den Schlaf auswirkt! 1:0 gegen den Architekten!
Fr. 04.07.
So um Vier sitzen wir im Essraum, draussen Nieselregen und Sicht etwas über die Nasenspitze hinaus. Wir gehen noch mal schlafen und eine Stunde später brechen wir auf; nach dem Motto: reisst es erst gegen Zehn oder so auf, haben wir es wenigstens probiert. Nur Carole bevorzugt das Alternativprogramm „Badetag“. Schon wieder 1:0 für den Fischer! Wieder so ne Stunde später, kurz vor dem beleiterten (nicht belämmerten) Pass: blauer Himmel. Der Rest ein Traum: Gouille-Grat, die weite Gipfel-Schneekuppe des Vélan, das Panorama vom Everest über den Kili bis zum McKinley... Der Abstieg über das tückische Gletscherchen einmal mehr moderat. Schon um Halb Vier sitzen wir auf der herrlichen Sonnenterrasse der Cabane und trinken einen weiblichen Apéro - die Belohnung für die Ängste und Plackereien der vorigen Tage!
Eigentlich stünde die Partie nun etwa 3:1 für uns, aber wir werden disqualifiziert wegen unvollständigen Erscheinens! Trotzdem, wer den Mut hat, gegen einen dermassen überlegenen Gegner anzutreten, verdient einen Anerkennungspreis: ein Seraphim versenkt jedem von uns einen Hoffnungsschimmer ins Herz.
Sa. 05.07.
Heimreise
MannInnenschaftsaufstellung -FC Angenstein (gegen die Sonne): Ralf Weber (Captain), Peter Teibinger (Sturm), Andrea Schaer und Carole Tremel (Aufbau), Andrea Hecker und Jörg Kuhn (Verteidigung), Rolf Glauser (Goali und Ballebueb) -FC Himmel (mit der Sonne): Petrus und die Hierarchien -Schiritrio: die Trinität
Fazit der ganzen Woche: 1. Aus der Gruppe ist ein Team geworden! 2. Petrus gewinnt immer!
Ganz herzlichen Dank an unseren Guide und das Team Euer Schreibtischtäter Gloisi ⇐
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