Ich hab mich bei Klettertouren schon oft gefragt, wie konnten die Ersten diese Route begehen? Wie si …weiterlesen
Ich hab mich bei Klettertouren schon oft gefragt, wie konnten die Ersten diese Route begehen? Wie sind sie hier so ohne bereits steckende Haken hochgekommen? Oft war ich den meist unbekannten Vorgängern von Herzen dankbar, welche die Route sicher eingerichtet oder saniert hatten. Im Bergseegebiet gibt es viele solcher Routen. Erstbegeher oder zumindest Sanierer ist in der Regel Toni Fullin, Hüttenwart der Bergseehütte. Toni ist unermüdlich in „seinen“ Wänden unterwegs und hat – nicht nur im Bergseegebiet – mittlerweile zig-tausende von Bohrhaken gesetzt. Notabene meist aus dem eigenen Sack bezahlt! In der SE-Wand des Schijenstock sind vor allem die Fullinrouten „il tempo vola“ und „Goldrausch“ zu Recht beliebt. Der ursprüngliche Klassiker dieser Wand, der SE-Wand-Pfeiler, fiel dabei in Vergessenheit. Die noch mit alten, rostigen Normalhaken ausgerüstete Route vermag im „Plaisirzeitalter“ wenige zu begeistern. Die vom Tourenchef vorgeschlagene Sanierung war für mich Gelegenheit, mal selbst Bohrstaub zu schnuppern und die damit verbunden Mühen am eigenen Leib zu erfahren. Zum BBB-Team (Bergsee-Bohr-Bua’m) gehörten die Tourenleiter Chrigel Preiswerk, Stefan Buess, Beat Hiss und Thomi Hotz. Toni unterstützte uns dabei mit viel Rat und Material. Wir mussten zumindest die Bohrhaken nicht selbst auf die Hütte schleppen. 1. Tag: Stefan und ich reisen früh am morgen und bei schönstem Herbstwetter in die Göscheneralp. Die Rucksäcke sind etwas schwerer als sonst. Für einmal ist nicht „Plaisir“ angesagt, Normalhaken, Hammer und ein grösseres Set an Klemmkeilen und Friends sind auch dabei. Zuerst wollen wir einmal den Zustand und die Linienführung der Route erkunden. Auf der Bergseehütte gibt uns Toni noch einige wertvolle Tipps sowie zwei Eispickel zur Querung des Schneefelds. Vor dem Mittag stehen wir dann endlich unter dem Pfeiler. Wir sind beide gespannt, ob wir da hochkommen und unser „Dornröschen“ wachküssen können. Durch den Rückgang des Schneefelds ist der Einstieg ein gutes Stück tiefer als ursprünglich. Vorerst können wir keinen Haken erspähen. Ich behänge mich mit all dem Eisen-Plunder und klettere los. Die ersten Meter sind etwas brüchig. Prompt löst sich ein grosser Felsblock. Mit viel Glück kann ich mich wieder fangen und nur der Felsblock stürzt in den Randspalt. Etwas zittrig kann ich weiter oben endlich einen guten Friend setzten. Auch Stefan, der mich sichert schnauft auf. Die Fortsetzung ist eine abdrängende Verschneidung, die ich komplett mit Friends und Klemmkeilen absichern kann. 30 Meter weiter oben finde ich den ersten zuverlässigen Haken. Ich mache Stand und sichere Stefan nach. Stefan verbindet viele schöne Erinnerungen mit der Route. Er hat sie vor vielen Jahren mit Peter Müller geklettert. Die Schwierigkeiten und Absicherungen bewegen sich in der Folge auf konstant anspruchsvollem Niveau. 5. – 6. Grad und gelegentlich ein rostiger Wackelhaken. Einmal mehr bin ich von den „Alten“ beeindruckt, die hier wohl mit viel bescheidener Ausrüstung hochgeklettert waren. (zu den „Alten“ gehörte in diesem Fall übrigens Etienne Gross, langjähriger Chefredaktor unserer Zeitschrift „Die Alpen“.) Stefan und ich erkunden die Route bis zum Band in der Mitte der Wand und seilen danach über die benachbarte „Goldrausch“ ab. Müde und hungrig steigen wir zur Hütte ab. 2. Tag: Chrigel ist in aller Herrgottsfrühe angereist und mit einer Bohrmaschine zur Hütte aufgestiegen, und von Toni erhalten wir gut 50 Bohrhaken. Leider kann uns Stefan heute nur bis zum Einstieg begleiten, denn eine alte Schulterverletzung verhindert einen weiteren Klettertag. Über die Route „il tempo vola“klettern wir zum Umkehrpunkt des Vortages hoch. Das Klettern ist ziemlich ungewohnt. Die mit dem ganzen Material gefüllten Rucksäcke lasten schwer auf unseren Schultern. Von oben her seilen wir uns dann in unsere Route ab, sanieren die Standplätze und setzten die notwendigen Bohrhaken zur Zwischensicherung. Schwieige Stellen klettern wir vorher, um die Haken auch richtig zu platzieren. Die Route erfordert aber auch in Zukunft noch einige Klemmkeile und Friends zur besseren Absicherung. Am zweituntersten Standplatz sind die Akkus der Bohrmaschine leer. Auch wir sind „kaputt“. Wir seilen uns zum Wandfuss ab und kehren zur Hütte zurück. Das Seil lassen wir in der ersten Seillänge hängen. Auf der Hütte erwartet uns meine sowie die Familie Hiss. Wir erleben einen schönen Hüttenabend. 3. Tag: Heute gehen Chrigel und Beat „auf Montage“. Ich nehme „frei“ und verbringe mit Karin und Sara sowie unseren Kindern und Hunden einen gemütlichen Tag im Familienklettergarten und am See. Chrigel und Beat richten derweil die restlichen unteren Seillänge ein. Das Einrichten braucht seine Zeit, und mit dem zweitletzten Bohrloch ist auch der letzte Akku leer, und unsere „Batterien“ auch. Der wunderbare Riss in der 2. SL verbleibt bohrhakenfrei. Allein schon wegen dieser Länge lohnt sich eine Begehung der Route! In Erinnerung bleibt ein schönes und erlebnisreiches Wochenende. Ein grosses „Chapeau“ an alle, die Routen einrichten. Dieser Job ist wirklich kein „Zuckerschlecken“! Zudem richten die "Könner" ihre Routen von unten, also im Vorstieg ein. Wir werden nächstes Jahr an den SE-Wandpfeiler zurückkehren. Wir sind gespannt, was wir im oberen, noch nicht sanierten Wandteil erleben werden.
Thomi Hotz ⇐
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